EGBERT HÖRMANN ÜBER „ONDE O VERÃO VAI (EPISÓDIOS DA JUVENTUDE)“

Ach ja, diese Jugend! Onkel Oscar Wilde witzelte zwar, dass „das Problem mit der Jugend ist, dass sie an die Jungen verschwendet ist“, andererseits hat er älteren Semestern auch keinen Trost anzubieten: „Sobald die Leute alt genug sind, es besser zu wissen, wissen sie überhaupt nichts mehr.“ Jaja, die Erwachsenen wissen alles über das Leben, außer wie man eines führt. Verlassen wir also getrost die soziologisierende und pädagogisierende Talkshow-Runde (niemand ist hier unter 40plus) zum Thema „Die Zukunft unserer Jugend“ und geben uns einem Film hin, der das Innenleben und die Befindlichkeit dieses Lebensabschnitts ganz wunderbar erforscht.

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„Onde o Verao vai (episodios da juventude)“

Ein zärtlicher, zu nichts verpflichtender, wie aus der Zeit gefallener (völlig handyfreier!) bukolischer Sommertag. Süßer Vogel Jugend … Vier junge Männer und zwei junge Frauen machen einen Ausflug zu einem kleinen Fluss in einem Wäldchen. Nichts Besonderes geschieht, und dennoch alles. Ein konventioneller Plot ist nicht zu erkennen. „Onde o Verao vai (episodios da juventude)“ von David Vicente ist ein lyrisches Filmpoem, so als hätten sich Eric Rohmer, André Téchiné und ein altersmilder Robert Bresson (der in seinen letzten Filmen nur noch junge „Modelle“ – wie er seine SchauspielerInnen nannte – einsetzte) zusammengetan, um das Aroma, die Essenz eines bestimmten jugendlichen, flüchtigen Zustandes in dem Bewusstsein einzufangen, dass es kein Entkommen aus der Falle der Zeit gibt. Den Tag also einfach in goldene Splitter zerschlagen … Träge Verspieltheit also, eine Art süßer Betäubung, ein Schuss Überdruss und auch Langeweile, drängendes Verlangen und eine alles, auch die Natur animistisch durchdringende Erotik. Steht diese Gruppe etwa kurz vor der Einschiffung nach Kythera, der Insel der Liebe (wie auf den entsprechenden Gemälden von Watteau)? Auf diesen sorgfältig komponierten Tableaux vivants fällt aber auch der Schatten des Sündenfalls, die anstehende abendliche Vertreibung aus diesem Paradies. Hier wird nicht viel geredet, da teilt der Film bezüglich der menschlichen Sprache den Pessimismus Bressons, wie er am radikalsten in „Le diable probablement“ zum Ausdruck kommt. So bewegen sich diese jungen Menschen hin zu einer unbekannten Zukunft, und die dunklen und die hellen Augenblicke werden vorüberziehen und vielleicht ein Geheimnis enthüllen, dessen Namen sie noch nicht kennen …

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Die Einschiffung nach Kythera
Jean-Antoine Watteau, 1710

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