Press reviews for Atkūrimas (Dummy) by Laurynas Bareisa
„Lithuanian director Laurynas Bareisa’s fourth short film ‘Dummy’, which had its world premiere in the Berlinale Shorts program, is a gripping story about gender roles and the perception of crime.
(…)
Bareisa has shed a light on this moral corruption. In his morbid tale crime doesn’t meet a condemnation. Instead, the criminal receives something more resembling the officers’ solidarity and tolerance.“
Liga Polarska for Talking Shorts
„Also anticipated is Dummy (Atkūrimas) by Lithuanian filmmaker Laurynas Bareisa. With his previous shorts having premiered in high profile festivals such as Venice, the latest film from Bareisa tells the story of the reconstruction of a crime scene. While the narrative has similarities with a couple of recent films — amongst them the successful 2018 Czech short Reconstruction (Jiří Havlíček & Ondřej Novák) — what makes this one stand out is a brilliantly disturbing streak of black humour and an air of absurdity against the backdrop of bleak realism.“
Laurence Boyce for Cineuropa
Zum ersten Mal war in der Sektion Berlinale Shorts auch ein litauischer Film im Wettbewerb um den Hauptpreis: „Atkūrimas“/„Dummy“ (2020) von Laurynas Bareiša. Frühere Werke des Regisseurs und Kameramannes („Pirtis“/„By the Pool“, 2017, und „Kaukazas“/„Caucasus“, 2018) wurden auf den Filmfestivals von Venedig und Locarno gezeigt. In dem neuen Film „Atkūrimas“/„Dummy“ lässt sich die Ermittlerin Miglė (Indrė Patkauskaitė) vom Täter am Tatort den Tathergang schildern. Zusammen mit fünf männlichen Beamten schaut sie zu, wie der Täter (Paulius Markevičius), dessen Namen wir nicht kennen, seine Version des Mordes darstellt. Die Ermittlerin folgt dem Ablauf des Geschehens und stellt ihm Fragen, während der Protagonist alle Handlungen mit Hilfe einer geschlechtslosen Puppe wiederholt. Überhaupt wird uns das Geschlecht des Opfers nie offenbart.
Bareiša, der auch Drehbuchautor des Films ist, nutzt keine Pronomen oder sonstige Wörter, die ihn dazu zwängen, hier zu identifizieren. Im 13-minütigen Werk, dessen gesamte Handlung die Nachstellung der Tat ist, zeichnet der Regisseur getreu die geschlechtsspezifische Konstellation der Situation nach. Miglės Mitarbeiter bieten ihr als Frau etwa ihre Hilfe an, den Hang herunterzusteigen. Als der Täter die Hose auszieht, kommt eine Zwischenbemerkung: „Schau, was er macht. Willst du zugucken?“. Miglė scheint die einzige zu sein, die daran interessiert ist, eine eingehende Ermittlung durchzuführen, wobei auffällig ist, dass ihre männlichen Kollegen den Täter ein wenig zu freundlich behandeln.
Bareiša entscheidet sich, keine brutalen oder schockierenden Bilder zu zeigen. Das Geschehen wird in Worten rekonstruiert, die in der Vorstellung des Betrachters ein Bild der Tat entstehen lassen. Dieses künstlerische Merkmal ist schon in Bareišas früheren Werken zu finden. In „Pirtis“/„By the Pool“ sehen die Zuschauer Teenager in ausgelassener Stimmung, jedoch verstehen wir, dass das Mädchen, das sich morgens immer noch am Ort befindet, von einem der Jungs vergewaltigt wurde. In „Kaukazas“/„Caucasus“ fahnden Polizisten nach einem Mädchen, das ihren Hund ausgeführt hat. Jedoch verraten weder Mutter noch Großmutter, dass die Tochter dunklere Hautfarbe hat. Indem der Regisseur in seinen Werken bewusst etwas verschweigt oder nicht offen zeigt, kommentiert er treffend die Ereignisse und die nicht mehr zeitgemäßen Traditionen des Landes und ganz Europas.
Ieva Šukytė (Berlinale Blogger 2020) for Goethe Institut Litauen
„Und auch düster kann es bei Kurzfilmen werden, das zeigt der litauische Beitrag Atkūrimas. Bei einer Tatortbegehung mitten im Wald rekonstruiert der Täter minutiös die Tat mit einer Puppe. Der Wald ist ruhig, düster, bedrohlich, die Brutalität der Tat als Zuschauer*in kaum auszuhalten. 13 Minuten lang dauert der Film lediglich, in dem ihr nicht nur den Täter näher kennenlernt, sondern eine Dynamik miterlebt, die unsere klassische Vorstellung von Moral mehr als nur in Frage stellt.“
Wiepke Jann für Mit Vergnügen