Una Ciudad en una cuidad
A City within a City
by Cylixe
Germany 2013, 19 minutes
First we see modern architecture: a tall building, not quite finished, but already rotten. Geometric patterns in black and white, the pitch of the roof and a mysterious little tower on top of the roof indicate that this is not a normal apartment building. The house, with its forty-five floors, has been planned as the financial center of Caracas, Venezuela. That was over twenty years ago, but the building has never been finished and due to housing problems for the poor, it became the world’s tallest squat. Director Cylixe presents this building not as a documentary but an essay contrasting the house with its inhabitants. The necessary background information is given by voice over, not by the people living there. Twenty-five floors are occupied. Most of them are bare brickwork, so the squatters have to build their own houses on the floor and they pitch up tents. Looking into the houses gives the impressions of a refugee camp. Everybody installs himself as well as he can. The people communicate; there is some sort of elected warden on each floor. Families lives next door to students, young couples, and people with less money. All have to pay fifteen dollars for water and light. A colorful clothesline in front of the building hangs what looks like architectural items. Bikes running on the empty tenth floor in the twilight strengthen the surreal touch. The house is watched by the police, but no one interferes as the building offers improved health and hygiene to the squatters. No wonder they try to create their own city and help them. But the film – despite how beautiful some of the scene may be – is still a cry for help in an unsocial world.
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Una Ciudad En Una Ciudad / A City Within A City / Eine Stadt In Einer Stadt
Die politischen Prozesse seit der Jahrtausendwende, die mit dem Aufstieg von Hugo Chávez auch den Linksruck Lateinamerikas markieren, habe Dutzende von Dokus hervorgebracht, die meisten davon aktivistisch motiviert – und in allen reden sich die Befürworter und Gegner des bolivarischen Revolution die Seele aus dem Leib. Warum auch nicht – es geht ja um Emanzipation, um den US-Imperialismus, Basisdemokratie, die Macht der Räte, um nichts weniger als die Revolution. Als Filme aber sind die meisten dieser Dokus relativ ungenießbar, es sind sind eher abgefilmte Informationsveranstaltungen. Dagegen ist „Una ciudad en una ciudad“ mal etwas wirklich Besonderes: Ein Dokumentarfilm über Venezuela, der ganz ohne Talking heads auskommt. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, doch die Videokünstlerin Cylixe macht es. Und es funktioniert auch. Wir fahren durch die brutalistische Architektur eines Neunziger-Jahre-Hochhauses in Caracas, das mal als Finanzzentrum geplant war und heute von armen Familien bewohnt wird, die es peu a peu besetzt und urbar gemacht haben. An Glasfronten, hinter denen Manager sitzen sollten, hängen Wäscheleinen. In den nackten Rohbau haben die „invasores“, wie sie im Spanischen heißen, mit Ziegeln Wohnungen gemauert, wir sehen Plüschtier-Kinderzimmerdekorationen, karibischen Wohnzimmerkitsch. Die Gesichter, die Menschen, die hier wohnen, bleiben außen vor, wir hören sie nur aus dem Off. Sie erzählen von der Selbstorganisation, von dem Versuch, im halbgebauten Betonkoloss ein besseres Leben zu bewerkstelligen. Andere Stimmen mutmaßen: Sind das alles „malandros“ hier, Verbrecher? Geht es um Profit oder um Protest? Wem gehört dieses vertikale Barrio – der Drogenmafia oder der revolutionären Community? Die Gerüchteküche kocht hoch, während die Kameras mit dem Mototaxi die nackten Stockwerke hochfährt, verwackelt und unabgesichert wie das Leben hier. Ein Film, der einen mehr wissen lassen will. Eine Aufforderung zum Irritiertsein.
Von Christoph Twickel
– Spiegel online –
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(Beshivhey Hayom – In Praise of the Day)
„Ich will fernsehen, jetzt sofort“- „Nein, gibt es nicht“ – „Ich will aber“ – „Gibt es aber nicht.“ Und so weiter. Kind vor Elternteil.
Im besten Fall steht ein Konzept hinter der erzieherischen Entscheidung, des Entscheiders. Im besten Fall liegt in dem Nein ein Freiraum für das Kind, über das entschieden wird. Eine Freiheit in der Verabredung.
Und noch ein Haus und noch eins und noch eins- bis ihm die ganze Straße gehörte. Bei KRAWUMM von Henning Venske ist das das Ende vom Lied.
Darf ich noch ein Haus – ja, noch eins noch eins noch eins – wenn du nur das Geld hast. Wozu braucht ein Einzelner so viel: so viele Wohnungen, so viele Häuser? Wozu so viel Besitz?
Der Anfang im Kleinen ist immer dasselbe – macht Spaß und tut nicht weh. Bei Kindern sieht man es noch deutlich, was ein Zuviel bedeutet – ein Ausrasten gleichsam.
Im Erwachsenenalter verspielt sich das, heißt es, wir wissen ja, was wir tun. Tut es das wirklich, wissen wir das wirklich. Können wir das – ganz alleine. Macht ein Zuviel nicht immer noch nur ein noch Mehr wollen- ich will, ich will, ich will. Das Vokabular ist dann ein anderes, aber das Prinzip ist das gleiche. Die Instanz des Regulierers hat sich verschoben, oder ist ganz aus dem Weg getreten.
Was bedeutet es, wenn nur mehr Wenige fast Alles besitzen und damit tun, was sie wollen.
Lateinamerika hat eine entsprechende Geschichte und einen Verlauf hinter sich, der alle Extreme in sich trägt.
Es braucht eine Regulierung.
Wohnen ist nicht nur wohnen. Wohnen ist Leben. Und deswegen bedeutet Wohnen mehr als eine von Ikea Möbeln bestückte Wohnung, die vor und nach der Arbeit zu betreten und im besten Fall zu bespielen ist. Wohnen bedeutet auch in einem sozialen Umfeld zu leben, historisch gewachsen- was bedeutet, dass es verschiedenste Möglichkeiten im Außen- und Umfeld gibt, die notwendig sind, um zu leben. Kindergarten, Kino, Kneipe. Die Reihenfolge ist beliebig. Dazwischen der Markt, die Einkaufsmöglichkeiten. Der Platz für die größeren, das Dunkel, das einzig den notwendigen Raum gibt um, heimlich, nicht vor den Augen der anderen, das auszuprobieren, was angeblich das Erwachsenleben ausmacht. Leben bedeutet nicht, zwei Bäder, 300 Meter im Quadrat zu besitzen, die sowieso nicht bespielt werden können, weil der Besitzende so viel unterwegs ist, dass die Quadratmeter ungenutzt vor sich hingammeln. Geputzt, zweimal wöchentlich, von der Putzfrau – oft ohne Papiere. Schön muss es aussehen, wenn es schon nicht genutzt wird. Muss es nicht! Es muss Leben in die Städte!
Wir haben alle ein Recht auf Stadt, wenn wir das wollen, ein Recht auf Verhältnisse, die nicht Geschlechterverhältnisse manifestieren, die einen Rückzug in eine Zeit bedeuten, die auch schon anders war.
Besetzen von Plätzen, von Orten, von Häusern. Das Gängeviertel in Hamburg, in den 1970igern Hamburg Hohenfelde, die Hafenstraße in Hamburg. Es gibt viele Beispiele, in denen die Besitzlosen sich ungenutzten Besitz zu eigen gemacht haben. Es gibt viele Beispiele, in denen sich Menschen gewehrt haben, Verhältnisse nicht einfach nur hingenommen haben. Der Anfang vom Berliner Prenzlauer Berg liegt in der Besetzung von Leerstand. Heute ist der Leerstand durchsaniert und verkauft. Bewegungen sind Bewegungen und doch bleibt die Frage nach einem Innehalten, nach einer Regulierung. Die Vordenker, die mit den Kindern die eigene Regierungen, je nach Alter, gedacht haben, sind belächelt worden, heut noch mehr als in den 1910, 20igern, als es sehr wohl eine Richtung gab, den Besitzlosen, denen ohne Lobby, z.B. also den Kindern, eine Lobby zu geben.
UNA CIUDAD EN UNA CIUDAD. Eine Stadt in einer Stadt. Das höchste besetzte Haus der Welt. Neuorganisation von Besitz.
von Maike Mia Höhne
– Kuratorin der Berlinale Shorts –