ECHO // SHORTS III.

„“Echo
by Merlin Flügel
(Germany 2013, 5 minutes)

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Echo Still 300dpi 01

So hat es sich wirklich zugetragen: im Sommer 1954 hatte Walt Disney gerade vom Berliner Senat einen Ehrenpreis erhalten, weil er dem Festival immer seine schönsten Filme zur Verfügung gestellt hatte.  Da war die Berlinale gerade mal 4 Jahre alt und Walt Disney hatte schon grob geschätzt 500 seiner final 656 Werke produziert. Walt sitzt also erschöpft und fast zufrieden in einer tiefen Couch. Er hat schon einen oder auch zwei zur Feier getrunken, als er von dem vor ihm stehenden Couchtisch eines dieser dicken Bücher nimmt, eines mit Abbildungen der spindeldürren Katzen und Menschen,  die Alberto Giacometti entworfen hat.

Es trifft ihn wie ein Schlag: so etwas hat er noch nie gesehen. Sofort beauftragt er sein Büro, Alberto Giacometti die Zeichnungen für Bambi II anzubieten. Sein Büro fängt an zu recherchieren, wer denn das Buch dazu verfassen könnte. Es stöbert im surrealistisch-dadaistischen Bekanntenkreis von AG und nachdem man  schon glaubt,  in Kurt Schwitters den passenden Autor gefunden zu haben, fällt einem folgendes Gedicht von Christan Morgenstern in die Hand:

Ein Vierviertelschwein und eine Auftakteule
trafen sich im Schatten einer Säule,
die im Geiste ihres Schöpfers stand.
Und zum Spiel der Fiedelbogenpflanze
reichten sich die zwei zum Tanze Fuß und Hand.

Also Alberto Giacometti und Christian Morgenstern: die beiden sollten also Bambi II schreiben.

Wenn diese unglaubliche Geschichte nicht kürzlich in der New York Times erschienen wäre, dann hätte auch Merlin Flügel, der Student der Offenbacher Hochschule für Gestaltung nichts davon erfahren.  Er hatte gerade einen Film „vom Verschwinden“, über das ‚Innen und Außen, eine hypnotische Bootsfahrt ohne Fahrtwind“ abgeschlossen. Jetzt sehnte er sich danach, endlich mal wieder etwas Konkretes und Gefühlvolles zu entwickeln.  Flugs legte er Bambi in seinen Player und las zum Einschlafen einige Gedichte des großen Tierfreunds Morgenstern.

Die nächsten Wochen schuf er wie im Rausch und irgendwie, ja irgendetwas klingt von der irren Idee Walt Disneys nach: ein ECHO eben.

Von Wilhelm Faber

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The lonely planet is painted in black and white. With only a very small head and without a face, the creatures in this world look weird. We don’t know what they’re looking for. It isn’t food, it isn’t company. They just are. They move according to the tambourine rhythm coming from nowhere and are nice to watch. One of the creatures is pot-bellied and walks on six legs as thin as threads so you wonder why it doesn’t fall down. The other one, banana-shaped follows the first one like an echo. Sometimes, they disappear in the water or in the swamps but they can still dance together. An animation about the essentials of movement, of live and of a fantasy world we usually see only in our dreams.

By Andrea Dittgen

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E    C   H  O

Echo erzählt in reduzierter und wunderschöner Bildsprache von gehemmten Interaktionen, kleinen Ritualen und geschlossenen Gemeinschaften. Angesiedelt am Meer, verzaubert der Film durch seine eindringliche Atmosphäre und das poetische Spiel mit Zeit und Dauer. Dabei thematisiert Echo durchaus soziale Momente und die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Der Hauptprotagonist, ein Mann mit einem vasenartigen Hundewesen, scheint zu keiner der vorhandenen Gruppen, Stelzenmenschen und Trommeltänzer, zugehörig zu sein. Aus gesicherter Distanz beobachtet er das eigenartige Treiben der Grüppchen, während auf hoher See Häuser zu versinken drohen… Fast im Stile der estländischen und lettischen Animationsfilme entwickelt Echo ein eigenes absurdes Universum voller Fehlkommunikation und Dysfunktion. Häuser sind dabei eher Protagonisten als Behausungen. Eine Zuflucht oder einen Schutz bieten sie nicht. Die einzige Bezugsperson des Hauptdarstellers scheint sein Vierbeiner zu sein, der ihm treu zur Seite steht. Das Setting wirkt wie der Gründungsmythos von Völkern, die beginnen sich zu unterscheiden, eigene Handlungsmuster zu entwickeln und zu bestrafen. Die Anfangssequenz mit dem am Seil hängenden Hauptprotagonisten erscheint dabei wie eine Art Prophezeiung auf einen zukünftigen Ausschluss des Andersartigen durch die „kommende Gemeinschaft“ (Giorgio Agamben). Der Protagonist agiert dabei wie ein unschuldig Verstoßener, der seine Ausgrenzung ganz unreflektiert als Glück begreift oder wie es Agamben beschreibt: „Die schlimmste Strafe – der Entzug der Anschauung Gottes – verkehrt sich so für die Bewohner der Vorhölle in einen Zustand natürlicher Fröhlichkeit.“

von Ulrich Wegenast

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see the link:

http://www.merlinfluegel.de/

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